Rechtschreibreform: Professor Ickler über Wahrig

Im Feuilleton der FAZ von heute steht eine Rezension des neuen Wahrig von Theodor Ickler, die gleichzeitig eine Bestandsaufnahme der Rechtschreibreform darstellt.

Und morgen soll eine Rezension des neuen Rechtschreibdudens folgen.

Es ist mir nie gelungen, die Reform bei mir richtig einzusetzen. Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass der feste Begriff Runder Tisch mal runder Tisch geschrieben wurde. Das wäre für mich als Übersetzerin aus dem Deutschen aber gefährlich gewesen.

Ickler war teilweise bei den Sitzungen des Rechtschreibrats dabei und ist in der Lage, die Reform detailliert und kritisch darzustellen. Er kennt die Probleme der Trennung

bq. Es war dem Ratsvorsitzenden ein ernsthaftes, auf Pressekonferenzen vorgetragenes Anliegen, vor Anal-phabet und Urin-stinkt zu warnen. Tatsächlich ist für diese Beispielwörter die angeblich irreführende Trennung im Wörterverzeichnis gar nicht angegeben, als handele es sich um ein Verbot. Der Rat hatte im November 2005 ausdrücklich das Gegenteil beschlossen. Auch Frust-ration und Lust-ration sind, obwohl regelkonfom, nicht mehr angeführt, wohl aber der Kast-rat.

der Großschreibung und vor allem der Getrennt- und Zusammenschreibung:

bq. Die einzelnen Einträge sind schlechterdings nicht nachvollziehbar: Warum darf „wieder aufarbeiten“ nur getrennt, „wiederaufbereiten“ aber nur zusammengeschrieben werden, während bei „wiedereingliedern“ beides möglich ist? Die Liste willkürlicher Festlegungen wäre noch länger, wenn nicht geläufige Verben wie wiederbesetzen und wiedererwerben einfach weggelassen wären; ihre aktuelle Schreibweise ist aus den Regeln nicht herleitbar. In der vorigen Auflage gab es die unsinnige Vorschrift, „wiedertun“ (mit einem Akzent) durch „wieder tun“ (mit zwei Akzenten) zu ersetzen; in der Neufassung bleibt es bei einem Akzent auf wieder – und dennoch bei Getrenntschreibung, obwohl der Kasten genau das Gegenteil erwarten läßt.

Und er hat auch andere Kenntnisse:

bq. Bei der Auswahl der Eigennamen bleibt das Wörterbuch einer alten Bertelsmann-Tradition treu: Die Namen sozialistischer Größen wie Stalin, Lenin, Trotzki, Liebknecht, Luxemburg und sogar Zetkin sind aufgeführt, nicht aber die rechtschreiblich durchaus schwierigen Hitler, Goebbels oder Göring – eine recht schlichte Art der Vergangenheitsbewältigung.

Hier Theodor Icklers Rechtschreibtagebuch.

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